Berlin (ots) –
Tierschutzorganisationen hatten vergangene Woche schockierendes Videomaterial (https://albert-schweitzer-stiftung.de/aktuell/lidl-leak-huehner-ueberfahren-ist-alltag) aus dem Hühnerstall eines britischen Lidl-Lieferanten veröffentlicht. Gegenüber der Zeitung „Daily Mirror“ behauptete (https://www.mirror.co.uk/news/uk-news/chickens-crushed-death-machinery-farm-30270390) Lidl GB daraufhin, weder von der Farm noch deren Betreiberfirma „2 Sisters“ beliefert zu werden. Nun zeigen allerdings Verpackungen (https://drive.google.com/drive/folders/1z6-KciAVaDK9zx3l_X-iDWPWwF4auwMA?usp=sharing) aus mehreren britischen Lidl-Filialen, dass das nicht stimmt.
Aktivist:innen fotografierten am Wochenende mehrere Hühnerfleisch-Verpackungen (https://drive.google.com/drive/folders/1z6-KciAVaDK9zx3l_X-iDWPWwF4auwMA) der Lidl-Marke „Birchwood“ mit dem Aufdruck „GB 2037“. Diese Nummer ist dem Schlachthof von „2 Sisters“ in Scunthorpe in der Grafschaft Lincolnshire zugeordnet. Alle Schlachthöfe in Großbritannien haben eindeutige vierstellige Codes, die auf der Verpackung angegeben werden müssen. Die Liste (https://fsa-catalogue2.s3.eu-west-2.amazonaws.com/Approved+establishments+01-05-2023.csv) der Codes wird auf einer Regierungswebsite veröffentlicht und monatlich aktualisiert. Das Fleisch auf den Fotos stammt also eindeutig von dem Lieferanten „2 Sisters“, der Lidl GB angeblich nicht (mehr) beliefert.
Ein Arbeiter aus einem „2 Sisters“-Hühnermastbetrieb in Lincolnshire hatte zuvor das brisante Videomaterial an die britische Tierschutzorganisation Open Cages geleakt. Die Aufnahmen zeigen unter anderem, wie zahlreiche Hühner mit Gabelstaplern überfahren und schwer verletzt liegen gelassen werden. Arbeiter geben vor versteckter Kamera zu, dass das eben „Teil der Arbeit“ sei. Die Tiere sind zudem schwer gezeichnet durch Überzüchtung und miserable Haltung. Der Mastbetrieb, aus dem die Aufnahmen stammen, ist mit dem britischen Label „Red Tractor“ zertifiziert, das bessere Haltungsbedingungen verspricht. Open Cages hat Strafanzeige erstattet.
Ein Manager der Farm wird in den Aufnahmen gezeigt. Er sagt: „[D]iese Größe [Hühner] hier wird zu Lidl gehen …“. Obwohl der Betreiber der Farm „2 Sisters Food Group“ in der offiziellen Lieferantenliste (https://corporate.lidl.co.uk/content/download/25746/fileupload/Lidl%20Food,%20Fruit%20%26%20Veg%20Supplier%20List%202023.pdf) (Stand 2023) aufgeführt wird, hatte Lidl GB in Folge dementiert, Mitverantwortung für die Zustände bei dem Unternehmen zu tragen. Gegenüber dem Daily Mirror sagte ein Lidl-Unternehmenssprecher: „Die betreffende Farm und der besagte Lieferant beliefern Lidl GB nicht.“ (Originalzitat: „The farm and supplier in question does not supply Lidl.“[sic]) Gegenüber dem Nachrichtenportal Newsquest (https://www.thetottenhamindependent.co.uk/news/national/uk-today/23603029.lidl-accused-cruelty-towards-animals-undercover-report/) hatte Lidl Open Cages sogar „falsche Anschuldigungen“ vorgeworfen.
Unterdessen haben europaweit viele Lidl-Kund:innen ihrem Unmut über Lidls Verantwortungslosigkeit in den sozialen Medien Luft gemacht. In Großbritannien war #LidlChickenScandal Trending Topic auf Twitter. Auch in Deutschland haben zahlreiche Menschen unter Posts von Lidl auf Instagram und Facebook protestiert (https://www.facebook.com/lidl/posts/pfbid02Z9wJS2hH5APK4i5fjx2jiiE5eF7v7qjnHjANuTphGW4Fn1k8oTyEYJEyvqWzrE5jl).
Tierschutzorganisationen fordern ernstgemeinten Schritt von Lidl
Eine Koalition von mehr als 20 Tierschutzorganisationen aus elf europäischen Ländern prangert die Missstände in Hühnermastbetrieben, die im Auftrag von Lidl arbeiten, an. Mittlerweile liegt Beweismaterial aus fünf Ländern für Tierquälerei (https://www.lidl-fleischskandal.de/) vor. Neben leidenden, sterbenden und verwesenden Hühnern in allen Ställen zeigen die Aufnahmen u. a. wie ein Arbeiter in einen Stall uriniert (Deutschland), Arbeiter Küken unsachgemäß erschlagen (Spanien, Italien) oder wie Hühner mit dem Traktor überfahren werden (Österreich). Eine Laboruntersuchung (https://albert-schweitzer-stiftung.de/aktuell/krankheitserreger-auf-lidl-fleisch) zeigte zudem, dass von 51 Proben aus acht deutschen Lidl-Märkten 71 % mit antibiotikaresistenten Keimen belastet waren. Diese Erreger können sich unter den gezeigten Bedingungen vortrefflich vermehren.
Lidl versprach, die vermeintlichen Einzelfälle zu prüfen und beruft sich auf seine alten „Tierwohl“-Versprechen (ab 2026 30 % Frischfleisch aus Haltungsform-Stufe 3 und 4), die aus Sicht der Tierschutzorganisationen jedoch nicht weit genug gehen.
Mahi Klosterhalfen, Präsident der Albert Schweitzer Stiftung: „Lidl will 2026 immer noch 70 % seines Fleischs aus garantiert tierquälerischer Massentierhaltung und Qualzucht verkaufen. Wie das aussieht, haben wir inzwischen in fünf Ländern dokumentiert. Im gleichen Zeitraum stellen Aldi und andere beim gesamten Hühnerfleischsortiment auf die Tierschutzstandards der Europäischen Masthuhn-Initiative um. Lidl versagt katastrophal beim Tierschutz.“
Eine Petition (https://albert-schweitzer-stiftung.de/lidl-fleischskandal), die Lidl auffordert, endlich zu handeln, haben europaweit bereits mehr als 390.000 Menschen unterzeichnet.
Die Europäische Masthuhn-Initiative
Lidls Konkurrenten Aldi, Bünting, Globus, Norma und Tegut haben sich der Europäischen Masthuhn-Initiative bereits angeschlossen und wollen zu 100 % auf die höheren Standards umsteigen. Rewe hat ebenfalls Bereitschaft signalisiert – wenn die anderen großen Supermärkte mitziehen. Lidl hat sich immerhin in Frankreich und in den Niederlanden angeschlossen, will aber im Rest Europas offenbar weiterhin Qualfleisch produzieren lassen und verkaufen.
Die Europäische Masthuhn-Initiative schreibt, anders als zum Beispiel die „Initiative Tierwohl“, gesündere Rassen vor – statt der schnell wachsenden „Frankenchickens“. Hinzu kommen Vorschriften für mehr Platz, Tageslicht und Beschäftigungsmöglichkeiten sowie für eine möglichst stressfreie Schlachtung. Die Kriterien der Initiative sind wissenschaftlich fundiert und werden von 37 europäischen Organisationen sowie rund 600 Unternehmen weltweit unterstützt.
Über die Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt
Die Albert Schweitzer Stiftung setzt sich gegen Massentierhaltung und für die vegane Lebensweise ein. Dafür nutzt sie juristische Mittel und wirkt auf wichtige Akteure aus Wirtschaft und Politik ein, um Tierschutzstandards zu erhöhen, den Verbrauch von Tierprodukten zu reduzieren und das pflanzliche Lebensmittelangebot zu verbessern. Interessierten bietet sie fundierte Informationen und zeigt Alternativen auf. Mehr erfahren Sie auf https://albert-schweitzer-stiftung.de.
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