Hamburg (ots) –
Die Sozialforscherin Jutta Allmendinger spricht im Interview mit ZEIT WISSEN (ab morgen im Handel) über die Zerrissenheit der jüngeren Generation. Ein Problem sei der stetig zunehmende Elitarismus: „Sie definieren sich als Teil einer globalen Elite, die sich längst von einer bestimmten nationalen Zugehörigkeit verabschiedet hat. Sie empfinden auch selten soziale Verantwortung. Den Satz ‚Eigentum verpflichtet‘ leben sie so nicht.“ Gerade diese Gruppe der reichen jungen Menschen sei im Vergleich zu den vergangenen Jahren „gewachsen und so groß und reich wie nie zuvor“.
Ein verstärkender Faktor dieser Entwicklung sei, dass „geschlossene Gesellschaften“ unter den jungen Menschen entstünden. „Es fehlen die verbindenden gesellschaftlichen Momente. Früher haben diese unter vielem anderen Wehrpflicht und Zivildienst oder Wegmarken wie Konfirmation und Firmung geschaffen. Diese Scharniere sind verloren gegangen“, so die Professorin. Auch Corona spiele eine Rolle: „Die Pandemie hat das Lebensgefühl der Jugend dadurch ähnlich dramatisch verändert wie die Einführung der Pille. Nur mit völlig verschiedenen Auswirkungen: Damals spürte die junge Generation eine Befreiung, heute ist sie durch die fehlende Gemeinsamkeit verunsichert, hinzu kommen Angst und psychische Probleme.“
Man könne deshalb nicht von dem typischen 20-Jährigen sprechen, der repräsentativ für seine ganze Generation stehe. Die übliche Pauschalisierung, der Kampf gegen den Klimawandel sei ein Thema der Jungen, lehnt Allmendinger ab: „Fridays for Future ist eine Bewegung, ganz sicher, aber keine Jugendbewegung.“ Sie führt aus: „Schaut man auf die Bundestagswahl 2021, zeigt sich, dass sich die Mehrheit der Wahlberechtigten über alle Altersgruppen hinweg nicht an Klima- oder Naturschutzinteressen orientiert hat.“
Sehr wichtig ist Jutta Allmendinger der gemeinsame Diskurs: „Übergeordnet finde ich es klasse, wenn Eltern und Kinder, wenn Menschen sich auseinandersetzen, Meinungen austauschen, sich streiten, ja gegenseitig ’nerven‘. Den Kontakt nicht abbrechen und lernen, andere Positionen zu akzeptieren. Spannungen muss man aushalten können, das gehört zum Leben.“ Das betreffe auch sie selbst: „Viele meiner jungen Mitarbeiterinnen meinen etwa mit Nachdruck, ich solle bei Veranstaltungen die Menschen mit ‚Liebe Gästinnen und Gäste‘ begrüßen. Das kann ich nicht, ich bringe ‚Gästinnen‘ einfach nicht über die Lippen. Trotzdem finde ich es gut, dass man offen mit mir spricht und mich pikst.“
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