Digitalisierung im Handwerk: Interview mit Kevin Kluge

Berlin

Im Interview sprechen wir mit Kevin Kluge, dem Geschäftsführer der Malerbetrieb Kluge GmbH, über Digitalisierung im Handwerk.

Herr Kluge, die Digitalisierung ist für viele Unternehmen ein großes Thema. Ist das im Handwerk genauso?

Ja, absolut. Wir hängen im Handwerk seit Jahren zurück beim Thema Digitalisierung. Die Industrie ist uns da weit voraus. Als Handwerksunternehmer steht man mal erstmal vor einer großen Herausforderung, wenn man digitalisieren möchte oder generell über Prozesse nachdenkt. Und fühlt sich manchmal auch ein bisschen verloren.

Sind die vielen kleinen und mittelgroßen Handwerksbetriebe in Deutschland denn gut auf die digitale Transformation vorbereitet?

Leider nicht, aber es ist möglich. Wir haben einen ganz klassischen Malerbetrieb, also wir sind ganz typisches Handwerk. Wir machen Wärmedämmung, typisch Einfamilienhäuser, Großprojekte, Fenstersanierung und energetische Sanierung. Wir bieten mittlerweile auch teils schlüsselfertige Wohnungskonzepte an. Und wir haben genau das Problem gehabt, das alle Handwerkerinnen und Handwerker haben: steigender Anforderungsdruck im Markt und höhere Auflagen an die Dokumentation. Der Kunde hat eine hohe Erwartungshaltung für das Geld, was er bezahlt, was auch so sein darf. Um das alles abzubilden, haben wir uns damals, im Rahmen unserer eigenen Digitalisierung, die Prozesse genau angeschaut und dann Stück für Stück digitalisiert.

Ihr Unternehmen ist ein Traditionsbetrieb mit einer 150-jährigen Familiengeschichte und Sie führen den Betrieb nun in fünfter Generation. Ihnen ist es sehr wichtig, dass Sie sowohl bei der technischen Ausstattung für die Mitarbeiter, als auch bei der Digitalisierung immer auf dem neuesten Stand sind. Warum investieren Sie so viele Ressourcen in die Digitalisierung?

Das liegt daran, dass der Anforderungsdruck von außen immer größer wird, also auf die normalen mittelständischen Handwerksunternehmen, aber auch auf die vielen kleinen Unternehmen. Und in dem Moment, wo man sich die betrieblichen Abläufe und Prozesse anschaut, komme ich an Digitalisierung nicht vorbei, weil ich irgendwann automatisieren will, um die Mitarbeiter ein Stück weit zu entlasten – und wenn es nur die kleine E-Mail ist, die irgendwann automatisch an den Kunden rausgeht. Man versucht einfach dem Markt gerecht zu werden und Stück für Stück voranzukommen. Und wenn man den Anspruch hat, einen Mehrwert für seine Kunden, für seine Mitarbeiter, für sein Team, aber auch für die vielen Partnerbetriebe, die für uns arbeiten, zu leisten, dann kommt man an Digitalisierung nicht mehr vorbei.

Was sind die wichtigsten Dinge, die Sie zu Beginn als Geschäftsführer umgesetzt und eingeführt haben?

Das ist ein echt witziges Thema. Ich habe immer gedacht: Digitalisierung, das sind bestimmte Softwaresysteme. Was ich dann gelernt habe: Auch die Art, wie man ein Unternehmen strukturiert, gehört dazu, zum Beispiel transparente Strukturen. Bei uns sind alle Strukturen in der Bürokommunikation komplett transparent, alle können die Zahlen einsehen, der Informationsfluss in der Kommunikationsebene ist zielgerichtet. Und dadurch schaffen wir es, dass jeder Mitarbeiter immer genau weiß, wann er wo, was braucht und wir bekommen einfach Speed rein. Also klare flache Hierarchien, zielgerichtete Kommunikationsstrukturen und eine gute Dateiablage – das waren die großen Themen, die wir umgesetzt haben. Und wir haben für uns und unsere Partnerbetriebe einen technischen Einkauf aufgebaut. Das heißt, wir können digital die Bestellungen für alle Bauvorhaben vornehmen und auch unsere Partner können darauf zugreifen und entsprechend über uns bestellen.

Digitalisierung ist ja kein Selbstzweck ist, sondern sollte dazu dienen, den Mitarbeitern, den Kunden und auch den Partnern das Leben zu erleichtern. Welche Vorteile hat denn die systematische Digitalisierung aus Ihrer Sicht?

Vor allem ist es Klarheit. Wir sagen im Unternehmen immer: „Klarheit schafft Harmonie.“ Wenn der Kunde weiß, was er bekommt und der Mitarbeiter weiß, wie er es angehen soll, dann hat man einen riesen Vorteil. Und dabei hilft Digitalisierung ungemein, weil diese ganzen Checklisten oder Betriebshandbücher, da guckt kein Mensch mehr drauf. Ich habe Unternehmen kennengelernt, die haben 150 Seiten Betriebshandbuch, das jeder Mitarbeiter beim Onboarding bekommt – und das liegt dann in irgendeiner Schreibtischschublade.

Die Digitalisierung hilft dabei, gerade in der Prozesskommunikation, dass Informationen dann kommen, wenn sie gebraucht werden, dass Ablagen so sind, wie man sie braucht, um schnelle Bauabläufe zu gestalten. Wir haben zum Beispiel eine Kunden-Dokumentationen eingeführt. Das heißt, wenn wir einen Termin machen bei Ihnen zu Hause und sprechen die Details durch, dann machen wir von jeder Sache ein Foto. Das kommt in eine Akte und dort wird auch beschrieben, was wir an dieser Stelle besprochen haben. Diese Kunden-Dokumentation ist gleichzeitig für die Mitarbeiterausführung. Das heißt, Kunde und Mitarbeiter haben die gleiche Sachgrundlage zum Angebot, zu den technischen Dokumentationen und zu den Pflege- und Wartungsinformationen. Es sind teilweise einfache Tools, die dabei helfen, Klarheit reinzubringen. Und das kommt sowohl bei den Kunden als auch bei unseren Mitarbeitern gut an.

Ich kann mir vorstellen, dass auch viel weniger Missverständnisse auftreten und es unheimlich viel Sicherheit gibt für beide Parteien. Was können andere Handwerksbetriebe von Ihnen lernen und mitnehmen? Und wie gehen Sie vor, wenn Sie neue Tools und neue Prozesse einführen?

Ganz wichtig ist: immer step by step. Man sucht ja immer nach einer „Alles-Lösung“, die irgendwie das ganze Unternehmen digitalisiert, am besten gleich Buchhaltung, Marketing, Lagerverwaltung, alles in einem. So bin ich damals da auch rangegangen. Das kann man aber total vergessen, das wird nichts. Man guckt am besten: Was ist eigentlich der Hauptprozess, also was ist das Kerngeschäft des Unternehmens? Und woran kann man sich lang hangeln?

Wir haben unseren ganzen Bauablauf in vier Phasen eingeteilt, haben den komplett digitalisiert dargestellt, haben uns quasi an der Wertschöpfungskette entlang gehangelt. Und danach haben wir die einzelnen Unterbereiche digitalisiert. Das Spannende daran ist, dass das step by step geschieht, und wir für jedes Problem das richtige Tool gesucht haben. Also, Informationen sammeln, alles Niederschreiben und dann anfangen zu digitalisieren. Und im letzten Schritt überlegen, wie kann ich eigentlich alle entlasten und automatisieren? Das ist für mich der ganz große Key-Faktor, weil erst das wirklich den Mehrwert bringt.

Auch Schulungen für die Mitarbeiter sind wichtig, dass man die abholt, also den Mitarbeitern aufzeigt, wie funktioniert das eigentlich. Wir machen auch die Schulung bei uns alle inhouse. Wenn man ihnen einfach ein System vorsetzt, wird das meistens nichts. Das muss gemeinschaftlich entwickelt und muss gemeinschaftlich gelebt werden. Man sollte dabei niemanden überfordern, alles Stück für Stück einführen, dann ist das nachhaltig. Das Team arbeitet auch weitestgehend mit den gleichen Tools. Das heißt, man kann sich auch untereinander im Team unterstützen.

Ich kann mir vorstellen, dass viele Handwerker ihrer Arbeit nachgehen wollen und wenig Lust darauf haben, sich in ihrer Arbeitszeit noch mit Digitalisierung, Administration und Verwaltung auseinanderzusetzen. Sie nehmen ja Ihren Partnerbetrieben viele dieser Arbeiten ab. Wie kann ich mir das vorstellen? Wie läuft eine Zusammenarbeit mit Ihnen ab?

Wir vergeben viele Leistungen aufgrund eines hohen Auftragsüberschusses, den wir konstant generieren. Wir haben Gerüstbauer, Klempner, Bodenleger, Elektriker, also Fremdgewerke, aber auch viele kleinere Malerunternehmen, die sich quasi unter uns einordnen und Leistungen in Auftragsspitzen übernehmen. Wir versuchen das so abzubilden, dass wir alles übernehmen, so wir uns das selber immer gewünscht hätten. Man versucht ja sein Handwerk gut zu machen und möchte eigentlich kein Bürokrat sein. Und deswegen haben wir gesagt: „Gut, wir übernehmen die Bürokratie und pflegen das Bescheinigungswesen für unsere Nachunternehmer.“

Unsere Partner können bei bestimmten Gewerken auch auf unseren Einkauf zurückgreifen. Die Bauleitung wird von uns übernommen, die gesamte Rechnungsstellung für die Nachunternehmer und die Dokumentation. Da wir den Bau ganzheitlich betrachten, haben wir pauschalisierte Verträge. Das heißt, wenn wir abrechnen, rechnen wir nach Leistungsstand ab. Für unsere Partnerbetriebe sind wir mittlerweile bei einem Zahlungslauf von ungefähr drei Tagen angekommen und sind damit deutlich schneller als marktüblich. Da freuen sich natürlich die Partner drüber, weil sie sich auf Kerngeschäft konzentrieren können. Und durch die schnelle Auftragsabwicklung lassen sich auch die Baustellen gut steuern. Das ist ein großer Mehrwert.

Vielen Dank für das Interview, Herr Kluge.

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Quelle: ots