Chemisch-pharmazeutische Industrie in Hessen: Unternehmen erwarten keine rasche Erholung

Frankfurt am Main (ots) –

Das Krisenjahr 2022 hat die energieintensive Chemieindustrie vor große Herausforderungen gestellt. Der Ukrainekrieg, vor allem die sich anschließende Energiekrise und die hohe Inflation haben das Geschäft stark belastet. Viele Unternehmen rechnen mit weiterhin hohem Kostendruck, der die Wettbewerbsfähigkeit gefährdet.

„Für das Jahr 2023 erwarten rund 40 Prozent der Unternehmen laut einer aktuellen Verbandsumfrage ein weiteres Absinken von Umsatz und Produktion. Entsprechend rechnen 52 Prozent auch mit einer nochmaligen Verschlechterung der Ertragssituation“, erläutert der Vorstandsvorsitzende des Arbeitgeberverbandes HessenChemie, Oliver Coenenberg (Sanofi-Aventis Deutschland GmbH) auf dem heutigen Pressegespräch der Chemieverbände Hessen.

Im vergangenen Jahr musste die klassische Chemie in Hessen einen Einbruch bei den Auftragseingängen von 15,3 Prozent und einen Produktionsrückgang von 12,3 Prozent hinnehmen. Ursache seien die erheblichen Kostensteigerungen, insbesondere bei Energie- und Rohstoffen, gewesen. Der hohe Kostendruck habe zur Drosselung der Produktion und zur Erhöhung der Verkaufspreise für Chemie-Erzeugnisse um 24,7 Prozent geführt. Der Umsatz in der klassischen Chemie belief sich auf 19,0 Milliarden Euro. „Das Umsatzplus gegenüber dem Vorjahr von 8,8 Prozent war ausschließlich preisgetrieben und stellt kein Wachstum dar“, betont Coenenberg.

Die aufgrund ihrer Struktur weniger konjunkturabhängige hessische Pharmaindustrie ist von den aktuellen Krisen weniger stark betroffen. Sie erreichte im Jahr 2022 einen Gesamtumsatz von 15,4 Milliarden Euro und damit 7,8 Prozent mehr als gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Die Verkaufspreise stiegen um 2,3 Prozent an. Die Produktion wurde um 5,1 Prozent erhöht. Allerdings habe sich auch hier die Dynamik im Jahresverlauf deutlich abgeschwächt.

Auch für 2023 schwieriges wirtschaftliches Umfeld erwartet

Hauptgrund für einen erneuten Rückgang von Umsatz und Produktion könnten laut Verbandsumfrage die im internationalen Vergleich weiter sehr hohen Preise für Energie, Rohstoffe und Material sein. 67 Prozent der befragten Unternehmen gehen in diesem Jahr von einer anhaltend hohen Kostenbelastung aus. Als weitere große Risiken wurden steigende Arbeitskosten (70 Prozent), Engpässe bei Personal und Fachkräften (67 Prozent), Unsicherheiten über die politischen Rahmenbedingungen (56 Prozent) sowie zunehmende staatliche Regulierungen (52 Prozent) genannt.

„Für die Chemieindustrie wird entscheidend sein, wie sich die Kostenstrukturen und Energiepreise mittelfristig einpendeln und ob wir auf Dauer wettbewerbsfähige Industriestrompreise bekommen“, so Coenenberg in seiner Bewertung. Darüber hinaus müsse das „inzwischen teilweise absurde Ausmaß an staatlicher Regulierung gestoppt werden“. Jüngstes Beispiel sei der Gesetzentwurf zur Arbeitszeiterfassung.

Personalgewinnung wird zur Herausforderung

„Die zentrale Säule der Fachkräftesicherung bleibt die Ausbildung. Aber auch hier wird es immer schwerer, vakante Stellen zu besetzen“, erläutert Dirk Meyer, Hauptgeschäftsführer von HessenChemie. So konnten 10 Prozent der Ausbildungsstellen in der Chemie und knapp 30 Prozent in der Kunststoffverarbeitenden Industrie im Jahr 2022 nicht besetzt werden. „Wir fordern das Hessische Kultusministerium auf, die Berufsorientierung noch verbindlicher zu machen und die Ergebnisse zu evaluieren“, so Meyer.

Die Aktivierung aller inländischen Fachkräftepotenziale wird in Zukunft nicht ausreichen, um den Bedarf zu decken. „Wir müssen uns in Zukunft als attraktives Einwanderungsland positionieren und jetzt die Voraussetzungen für eine schnellere und gesteuerte Zuwanderung schaffen“, fordert Meyer abschließend.

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